Für zahlreiche börsennotierte Unternehmen gelten künftig höhere Corporate-Governance-Standards. Warum das ein kleiner, aber wichtiger Schritt ist – und was dies für Aufsichtsräte bedeutet.

 

Die Börse als wichtiger Impulsgeber

An der Deutschen Börse kommt es zu einem Paradigmenwechsel: Um sich für wichtige Indizes zu qualifizieren, müssen Unternehmen künftig nicht nur betriebswirtschaftliche und finanzielle Kriterien erfüllen. Darüber hinaus fordert die Börse erstmals Corporate-Governance-Standards, die über gesetzliche Vorgaben hinausgehen.

Das ist wichtig und richtig. Denn der letzte Skandal hat gezeigt, dass der bisherige Ansatz nicht ausreicht, um Aktionäre zu schützen und Vertrauen in den Kapitalmarkt zu schaffen. Zugespitzt formuliert: Wird vor allem auf Marktkapitalisierung und Handelsvolumina geachtet, macht das unseriösen Managern das Leben leicht – mit Risiken für Anleger, Aktienkultur und Wirtschaftsstandort.

Wir brauchen deshalb substantiellere Vorgaben, und zwar insbesondere für die Aufsichtsräte. Denn professionelle Kontrollgremien sind die beste Prophylaxe gegen fragwürdige oder kriminelle Machenschaften. Aufsichtsräte sind sozusagen der Schlüssel zu Modern Governance.

Laut den neuen Zulassungskriterien der Börse müssen Aufsichtsräte künftig zwingend einen Prüfungsausschuss einrichten, der sich intensiv mit den Bilanzen auseinandersetzt. Das macht Schönfärbern das Leben schwerer und wird auch indirekt die Professionalisierung der Aufsichtsräte vorantreiben. Denn einige Gremien müssen jetzt Bilanzexperten engagieren, womit das Thema Kompetenz weiter in den Vordergrund rückt. Zudem gewinnen effiziente und digitale Prozesse an Bedeutung, um Gremien zu entlasten und zusätzliche Anforderungen bewältigen zu können.

 

Bundesregierung legt nach

Zugegeben, ich hätte mir gewünscht, dass die Börse es nicht bei der Prüfungsausschuss-Verpflichtung belässt. Aber auch der kleinste gemeinsame Nenner ist manchmal ein wichtiger erster Schritt, zumal die Bundesregierung in Kürze nachlegen dürfte: Der Entwurf des „Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität“ (FISG) sieht für kapitalmarktorientierten Unternehmen von „öffentlichem Interesse“ weitere Corporate-Governance-Standards vor.

So planen die Koalitionäre verschärfte Auskunftspflichten für die jeweiligen Leiter der internen Kontrolle, des Risikomanagements und der internen Revision vor. Sie müssten Aufsichtsräten demnach künftig direkt Rede und Antwort stehen, was Verschleierungstaktiken von Vorständen erschweren dürfte. Darüber hinaus brauchen Aufsichtsräte dem Entwurf zufolge künftig je einen Experten für Rechnungslegung und Abschlussprüfung. Aktuell reicht es, wenn eine der beiden Spezies vertreten ist.

Doch Vorsicht: Die neuen Zulassungskriterien und Paragrafen dürfen nicht dazu führen, dass Aufsichtsräte sich als eine Art oberster Wirtschaftsprüfer definieren. Denn das Aufgabenspektrum der Gremien reicht sehr viel weiter. Das bilden die geplanten Börsen-Regeln und das neue Gesetz meines Erachtens nicht ausreichend ab.

Die Reform sollte deshalb nur ein erster Schritt sein – weitere müssen folgen. Schließlich geht es um nicht weniger, als Kriminalität auszubremsen, die Standards der Sozialen Marktwirtschaft durchzusetzen und das Vertrauen in den Kapitalmarkt zu stärken.

 

Korsett oder Papiertiger?

Das Problem: Allzu detailliert und bürokratisch dürfen Vorgaben für börsennotierte Unternehmen nicht ausfallen. Denn das würde den Delisting-Trend verstärken und damit den Kapitalmark schwächen statt zu stärken. Zudem löst ein enges Regel-Korsett achselzuckenden Formalismus aus – und schlimmstenfalls sogar Abwehr.

Die große Herausforderung ist deshalb, Vorgaben zu entwickeln, die Aufsichtsräte und andere Entscheider mittragen, optimalerweise aus Überzeugung. Aber wie finden wir das richtige Maß – also Regularien, die weder ein enges Korsett noch zahnlose Papiertiger sind? Das ist alles andere als trivial.

Ich bin überzeugt: Wichtig ist, Aufsichtsräte persönlich stärker in die Verantwortung nehmen – etwa durch ein verpflichtendes Bekenntnis zu Personal-Governance-Prinzipien. Wie es die Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland (VARD) schon im September vorgeschlagen hat. Denn wer jemanden in die Verantwortung nimmt, wertet ihn zugleich auf – und fördert Veränderungen, statt zu versuchen, sie zu erzwingen.

 

Geschrieben von Daniel Schönwitz


Board,  Gastautoren,  Good Governance


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