Herkömmliches Filialgeschäft vs. Plattform-Banking in Netzwerken, Künstliche Intelligenz an Front- und Backend sowie neue Produkte und Services – wie meistert die Finanzbranche den digitalen Wandel? Das wollten wir von einem Branchenexperten erfahren. Prof. Dr. Hans-Gert Penzel stand uns als Erster Frage und Antwort für unser neues Textformat „3 Fragen an…“, in dem wir uns mit den Herausforderungen des digitalen Wandels in unterschiedlichen Industrien auseinandersetzen wollen. Das sind seine Einschätzungen zur Digitalisierung der Finanzbranche.

1. Sie haben auf dem diesjährigen CIBI Innovationstag eine Trendumfrage zum
Thema „Digitalisierung 4.0“ mit Szenarien für das Jahr 2025 vorgestellt. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?

Drei Aussagen unserer Zuhörer fand ich besonders bemerkenswert:

  1. 43 % aller Antwortenden sagen, dass sich die Vertriebsbank von der Produktions- und Abwicklungsbank entkoppeln wird. Also ein klarer Spezialisierungstrend ähnlich wie in anderen Branchen. In der Automobilindustrie liegt beispielsweise nur noch ein Drittel der Wertschöpfung bei den Herstellern, der Rest bei den Zulieferern. Der entsprechende Trend bei den Banken ist kein Wunder angesichts der Transparenz und Modularisierung, die die Digitalisierung heute erlaubt und die auch von den Regulatoren zunehmend begrüßt wird.
  2. Die Antworten zu den Anteilen im Retail-Vertrieb: 36 % der Antwortenden erwarten, dass die GAFAs, also Google, Amazon, Facebook, Alibaba, Tencent etc., bis 2025 über 20 % des Retail-Bankgeschäfts von den klassischen Banken an sich reißen werden. Nur 21 % der Befragten sagen, dass die klassischen Banken weniger als 5 % ihres Retail-Geschäfts verlieren werden. Das wird richtig hart für die heutigen Banken mit ihren teuren Vertriebsapparaten!
  3. Die Antworten zum zukünftigen Einsatz der Künstlichen Intelligenz: 44 % der Antwortenden sagen, dass KI bis 2025 die Mehrzahl der Bankprozesse durchdringen und die Rollen der Bankmitarbeiter deutlich verändern wird. Weitere 29 % sehen sogar radikale Prozessveränderungen. Da kann ich nur zustimmen und die Banken motivieren, die Einsatzmöglichkeiten der KI schnell, qualifiziert und differenziert zu analysieren und entsprechende Projekte auf den Weg zu bringen.

2.Sie haben selbst bereits im Jahr 1999 in Ihrer damaligen Funktion als CIO der
HypoVereinsbank einen „Datentresor“ zum Schutz sensibler Dokumente entwickelt und waren damit Ihrer Zeit voraus. Wie schätzen Sie die aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich ein? 

Ja, das war MemIQ, der intelligente Datentresor. Er bot drei Dinge: Erstens eine hochsichere, eben banktypische Ablage für alle Daten, die die Kunden einstellen wollten. Zweitens war das „Befüttern“ extrem einfach und funktionierte auf Basis von „Daueraufträgen“: egal, ob Kontoauszüge der Bank, Belege der Versicherung, Rechnungen des Stromlieferanten, Wartungsunterlagen des Autohauses oder Kopien von Ausweisen. Drittens konnte der Kunde komfortabel und flexibel Auswertungen erstellen. Aber wie Sie sagen: Das kam deutlich zu früh, das Vertrauen fehlte.

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Heute ist die Zeit reif dafür. Allerdings trauen wir den „neuen Oligarchen“ wie Facebook nicht über den Weg. Die Banken dagegen sind immer noch relative Horte des Vertrauens. Deshalb wundere ich mich, dass sie das Thema nicht viel offensiver angehen. Gerade auch, weil sie sich – zum Beispiel von Brainloop – gute Ausgangslösungen beschaffen könnten. Auf dieser Basis kann man noch weiter gehen, zum Beispiel ausgewählte Daten nach expliziter Freigabe durch den Kunden für eine bestimmte Zeit an Drittparteien weitergeben, um bessere Angebote zu erhalten. Da bieten sich unendliche Möglichkeiten und attraktive Geschäftsmodelle!

3. FinTechs stehen in Konkurrenz zu klassischen Banken: Wie wird die Marktlandschaft Ihrer Meinung nach in zehn Jahren aussehen?

Der Begriff „FinTech“ wird Geschichte sein. Das heißt aber nicht, dass deren Lösungen verloren gehen. Ganz im Gegenteil: Die Lösungen werden in den Mainstream des Bankings eingeflossen sein und überall in Banken auftauchen, so wie der Strom ganz selbstverständlich überall aus der Steckdose kommt.

Banken, die die Digitalisierung wirklich ernst genommen haben, werden sich selbst zu FinTechs gewandelt haben – durch eigene Anstrengungen, durch Kooperation, gegebenenfalls durch Kauf. Und diese Banken werden zu den Gewinnern gehören. Umgekehrt gilt: Banken, die die Digitalisierung verschlafen, werden nicht überleben. Aber auch die allermeisten FinTechs haben stand-alone keine Chance, denn ihnen fehlt das Kundenvertrauen, um die nötige Größe zu gewinnen.

 

 

Über Prof. Dr. Hans-Gert Penzel

Prof. Dr. Hans-Gert Penzel lehrt und forscht an der Universität Regensburg. Seit April 2019 ist er Mitglied des Aufsichtsrats von ibi research an der Universität Regensburg GmbH, nachdem er dort neun Jahre als Geschäftsführer aktiv war. Davor war er in der Europäischen Zentralbank tätig. Als Generaldirektor war er verantwortlich für den Bereich Informationssysteme und leitete in dieser Funktion das Information Technology Committee, in dem die gemeinsamen IT-Aktivitäten der europäischen Notenbanken koordiniert und deren Systeme standardisiert werden. Vor der EZB lagen 13 Jahren in verschiedenen C-Funktionen der Vereinsbank und Hypovereinsbank.


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