Single Family Offices (SFO) sind bei Unternehmerfamilien weit verbreitet. Neben der Verwaltung bzw. Investition des Vermögens erfüllen viele SFOs weitere Aufgaben, wie die Steuer- und Rechtsberatung für Familienmitglieder. Klar abgegrenzt ist ein SFO von einem Multi Family Office, das die Bedürfnisse von mehreren wohlhabenden Familien erfüllt und entweder von den Familien gemeinsam, von einer Bank oder von einem anderen externen Dienstleister geführt wird. Prof. Leitterstorf lehrte bis Juli 2019 am Institute for Family Business (ifb@WHU) an der WHU Otto Beisheim School of Management und kennt die aktuellen Entwicklungen, nicht nur im Hinblick auf die Governance-Strukturen.

Herr Prof. Leitterstorf, wie unterscheiden sich die Single Family Offices voneinander? Was haben Sie gemeinsam?

In unserer Studie „Family Office, Family Equity und Private Equity“ verwenden wir den Begriff SFO für alle Organisationseinheiten, die im Besitz einer Unternehmerfamilie sind und die das Vermögen der Familie verwalten. Dabei kann es sich um eine eigene GmbH oder um eine Abteilung innerhalb des Familienunternehmens handeln. Dennoch gibt es bislang keine allgemein gültige Definition.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass SFOs sehr heterogen sind. Kein SFO gleicht dem anderen. Für eine detaillierte Analyse haben wir die SFOs daher in zwei Dimensionen eingeordnet.

Erstens: Befindet sich das ursprüngliche Familienunternehmen noch im Besitz der Familie?

Zweitens: Befindet sich das SFO in der ersten oder in einer späteren Generation? Die resultierenden vier SFO-Archetypen von SFOs weisen zentrale Unterschiede auf, unter anderem bei ihrem Investitionsverhalten.

Welches Investitionsverhalten beobachten Sie bei SFOs?

Vor einigen Jahren dominierten noch klassische Assetkategorien wie festverzinsliche Anlagen, Immobilien oder Aktien. Das hat sich fundamental gewandelt. Auslöser dafür sind die anhaltende Niedrigzinspolitik sowie die Verteuerung von Immobilien auf der einen Seite und die digitale Transformation auf der anderen Seite.

Inzwischen investieren SFOs in etwa der Hälfte der Fälle in unternehmerische Direktbeteiligungen. Wenn das ursprüngliche Familienunternehmen nicht mehr im Besitz der Familie ist, neigen SFOs besonders häufig zu unternehmerischen Direktbeteiligungen.

Diese werden dann nicht nur als Kapitalanlage sondern vielmehr im Sinne eines unternehmerischen Engagements eingegangen. Auch direkte Investitionen in innovative Start-ups waren zu beobachten. Sie waren vor allem dann erfolgreich, wenn die Familienmitglieder selbst einen Bezug zum jeweiligen Geschäftsfeld hatten. Wenn dies nicht der Fall war, waren viele SFOs mit indirekten Investitionen (über Fonds) oder im Rahmen von Co-Investitionen erfolgreicher.

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Prinzipiell werden SFOs Private-Equity-Firmen (PE) ähnlicher. So wird inzwischen teilweise auch Fremdkapital investiert. Zudem unterliegen die Targets immer stärker rationalen Investmentkriterien. Entsprechend verändern sich auch die Kompetenzprofile der Angestellten. Hatten früher die SFO-Mitarbeiter einen Hintergrund als klassische Vermögensverwalter, rekrutieren sie sich heute verstärkt aus Private-Equity- und Venture-Capital-Firmen.

Welche Rolle spielt die Governance in SFOs?

Die Besonderheit besteht darin, dass die Beteiligten über die Generationen hinweg immer zahlreicher werden. Es steht also außer Frage, dass SFOs eine klare Governance benötigen. Denn erfolgreich etablierte Governance-Mechanismen sorgen im Konfliktfall dafür, den Familienfrieden und das Vermögen zu bewahren.

Drei Elemente stehen im Fokus: Knapp die Hälfte der SFOs besitzt heute bereits eine Familienverfassung. Unabhängig davon, betonen etwa drei Viertel die Bedeutung vertraglicher Regelungen, die aus Gesellschafter-, Gesellschafts-, Ehe- und Erbverträgen bestehen. Und ungefähr die Hälfte der SFOs haben ein Aufsichtsgremium in Form eines Beirats etabliert, welches zum Teil sogar mit familienexternen Personen besetzt wird.

Je mehr Erfahrungen mit der Vererbung von Vermögen und Beteiligungen besteht, desto üblicher sind solche Regelwerke – häufig als Ergebnis der komplexen Herausforderungen, die zu bewältigen sind, wenn keine entsprechende Vereinbarung vorliegt. Umso effektiver ist es also, eine Familienverfassung schon frühzeitig zu etablieren. Ein Überwachungsgremium kann dabei helfen, die SFO-Tätigkeit weiter zu professionalisieren.

Family Office, Family Equity und Private Equity – Unternehmerisches Investieren und generationsübergreifendes Unternehmertum (2018)

WHU Otto Beisheim School of Management

Autoren: Philipp Bierl, Antonia Schickinger, Max Leitterstorf und Nadine Kammerlander

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Über Prof. Dr. Max Leitterstorf

Prof. Dr. Max Leitterstorf lehrt Rechnungswesen im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und hatte bis Juli 2019 eine Juniorprofessur für Familienunternehmen an der WHU Otto Beisheim School of Management. Nach seinem Studium war Leitterstorf von 2008 bis 2014 als Strategieberater bei der Boston Consulting Group tätig. Der inhaltliche Schwerpunkt seiner Arbeit lag dabei in den Bereichen Organisation, Restrukturierung und Prozessoptimierung. Er promovierte 2013 an der WHU Otto Beisheim School of Management mit summa cum laude zum Thema IPO Financing of Family Firms.

 

Geschrieben von Birgit März


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