Wissenschaftliche Analysen liefern interessante Erkenntnisse zur Aufsichtsratsarbeit während der Corona-Pandemie – und werfen ein Schlaglicht auf die Stärken und Schwächen digitaler Sitzungen.

 

Als die Pandemie abflaute und gesellschaftliche Debatten abebbten, ging es für viele Wissenschaftler erst richtig los: Sie studierten und analysierten, was in der Corona-Zeit gut gelaufen ist – und was nicht. Inzwischen liegen zahlreiche spannende Erkenntnisse vor, auch aus der Betriebswirtschaft und dem Spezialbereich Corporate Governance.

Einige davon haben für Aufsichtsräte hohe Relevanz. So zeigt eine Studie, die im September vorgestellt wurde: Infolge der Umstellung auf virtuelle Formate hat sich die Sitzungsfrequenz erhöht. Zudem gibt es klare Indizien, dass Gremien effizienter arbeiteten. Allerdings litt bisweilen die inhaltliche Tiefe der Diskussionen.

Droht also höhere Quantität und niedrigere Qualität? Da virtuelle Sitzungen seit der Pandemie zum Standardrepertoire gehören, sollten Aufsichtsräte darüber nachdenken, wie sie oberflächliche Debatten verhindern können. Dabei stehen ihnen drei vielversprechende Hebel zur Verfügung.

 

Erstens: Mindset & Vorbereitung

Alle Beteiligten müssen sich einig sein, dass Online-Treffen keine Sitzungen zweiter Klasse sind. Aufsichtsratsvorsitzende sollten dies offen ansprechen – und zugleich mit gutem Beispiel vorangehen und klare Signale senden. Besonders wichtig ist eine adäquate Vorbereitung. So gilt es, frühzeitig die Agenda zu verschicken und die Teilnehmer aufzufordern, vorab Fragen zu schicken.

Zudem spricht vieles dafür, bei digitalen Treffen noch stärker zu priorisieren als bei Präsenzformaten. Da Teilnehmer am Bildschirm erfahrungsgemäß schneller ermüden, ist es kontraproduktiv, die Agenda vollzupacken: Je weniger Tagesordnungspunkte es gibt, desto größer ist die Chance auf fruchtbare Debatten zu einzelnen Themen. Außerdem sollten Aufsichtsratschefs keinesfalls der Versuchung erliegen, Sitzungen mit Verweis auf gesparte An- und Abreisezeiten zu verlängern

 

Zweitens: Moderation

Trainer und Coaches wissen, wie wichtig es ist, Teilnehmer immer wieder zu „aktivieren“. Für die Moderation virtueller Sitzungen bedeutet das: Interaktionsmöglichkeiten schaffen und Teilnehmer zum Beispiel ermutigen, Fragen in den Chat zu schreiben und Vorträge zu unterbrechen.

Noch entscheidender als bei Präsenzformaten sind darüber hinaus kurze Anmoderationen und Präsentationen. Aufsichtsratsvorsitzende sollten Referenten deshalb entsprechend briefen und zur Eile mahnen, wenn sie in langwierige Ausführungen verfallen.

 

Drittens: Technologie

In beiden Phasen spielen maßgeschneiderte Software-Lösungen eine zentrale Rolle. So erleichtern innovative Board-Portale für die Vorstands- und Aufsichtsratskommunikation, Sitzungen vorzubereiten und sich im Vorfeld untereinander auszutauschen. Moderne Konferenz-Tools wiederum bieten spannende und oft weitgehend unbekannte Interaktionsmöglichkeiten.

 

Auch im virtuellen Raum stoßen Entscheider an Grenzen

 

Allerdings haben digitale Formate Nachteile, die Aufsichtsräte selbst bei optimaler Vorbereitung, Moderation und Technik nicht beheben können. Insbesondere bei der Integration neuer Gremienmitglieder (Onboarding) und beim Teambuilding stoßen sie im virtuellen Raum an Grenzen. Auf Präsenz-Sitzungen komplett zu verzichten, sollte deshalb keine Option sein.

Wie so oft gilt: Die Mischung macht‘s. Eine mögliche Lösung sind drei bis vier persönliche Treffen pro Jahr, zum Teil in Verbindung mit Werksbesichtigungen oder anderen Gemeinschaftserlebnissen. Zwei bis drei zusätzliche Online-Sitzungen zu speziellen oder drängenden Themen sollten dann auch für vielbeschäftigte Gremienmitglieder kein Problem sein.

Klar, Patentrezepte gibt es nicht – aber sicher bald weitere wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Entscheidungsgrundlage verbessern.

 

Geschrieben von Daniel Schönwitz


Aufsichtsrat,  Board,  Gastautoren


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