Nachfolgeplanung, Ämterhäufung, Managergehälter: Welche Governance-Themen die diesjährigen Aktionärstreffen prägten – und welche Schlussfolgerungen Aufsichtsräte daraus ziehen sollten.  

 

Mitglieder benötigen Zeit sich einzuspielen

Fußball-Experten kennen das: Wenn zu Beginn der Saison viele neue Spieler kommen, dauert es in der Regel eine Weile, bis die Mannschaft harmoniert. Man muss sich erstmal kennenlernen und die Abläufe aufeinander abstimmen. Ähnlich ist es bei anderen Teams bis hin zu Aufsichtsgremien: Zu viele gleichzeitige Wechsel erschweren die Zusammenarbeit und gefährden die Kontinuität.

Deshalb ist es problematisch, was vielerorts noch immer Usus ist: Aktionäre wählen Aufsichtsräte auf der Hauptversammlung (HV) en bloc für gleich lange Amtszeiten. Denn das führt häufig dazu, dass stets mehrere Mitglieder zum selben Zeitpunkt kommen und gehen.

Schlimmstenfalls ist der Aufsichtsrat dann in kritischen Phasen für das Unternehmen mit sich selbst beschäftigt, weil er mehrere neue Mitglieder integrieren muss. Darunter kann die Überwachungsarbeit erheblich leiden.

Ich finde es deshalb erfreulich, dass immer mehr Aufsichtsräte auf sogenannte staggered-board-Modelle umstellen. Eingeführt wurde diese Kodexänderung von der  Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex. Dabei wählen Aktionäre Aufsichtsratsmitglieder für unterschiedlich lange Laufzeiten, um Brüche zu vermeiden und die Kontinuität zu fördern. Das war auch in der diesjährigen Hauptversammlungssaison zu beobachten. Noch effizienter gelingt dies mit digitalen Datenräumen, die die Kommunikation und den Wissenstransfer hin zu neuen Mitgliedern sichern.

 

 

Professionalisierung läuft auf Hochtouren

Der Paradigmenwechsel zeigt, dass die Professionalisierung Aufsichtsräte im Allgemeinen und der Nachfolgeplanung im Besonderen weiter vorankommt. Und nein: Diese Entwicklung ist nicht allein kritischen Aktionären zu verdanken. Vielerorts sind die Aufsichtsratschefs Treiber und nicht Getriebene.

Wahr ist allerdings auch, dass Investoren Aufsichtsräte intensiver beobachten und vehementer kritisieren. Dieser Trend hat sich auch in der diesjährigen HV-Saison fortgesetzt, wobei die Aktionäre diesen Themen besondere Aufmerksamkeit schenkten:

Ämterhäufung: Insbesondere bei Chefkontrolleuren sowie bei Aufsichtsräten, die hauptberuflich als Vorstände fungieren, schauten Anteilseigner in diesem Jahr genauer hin. So droht inzwischen bereits Gegenwind, wenn ein Aufsichtsratschef in mehr als zwei weiteren Überwachungsgremien sitzt. Und amtierende Vorstände müssen mit Kritik rechnen, sobald sie mehr als ein Aufsichtsratsmandat annehmen.

Bonifikationen: Auch in dieser HV-Saison haben Aktionäre wieder ihrem Unmut über hohe Boni Luft gemacht. In einigen Fällen stimmten sie sogar mehrheitlich gegen Vergütungssysteme – mit stets ähnlich klingenden Begründungen: Die Boni-Kriterien seien zu lasch; Vorstände trügen zu wenige unternehmerische Risiken.

Kompetenz: Darüber hinaus äußerten sie immer wieder Kritik an vermeintlichen Kompetenzdefiziten im Aufsichtsrat. Dabei ging es mehrfach um die ESG-Expertise, aber auch mangelnde unternehmerische Erfahrung wurde gerügt. Im Vergleich dazu spielte die Diversity in diesem Jahr eher eine untergeordnete Rolle, auch weil vielerorts Fortschritte zu verzeichnen sind.

Amtszeiten: Investoren forderten auch in diesem Jahr hin und wieder eine pauschale Verkürzung der Amtszeiten von Aufsichtsräten – im Extremfall auf ein Jahr.

 

Fazit

Aufsichtsratschefs sind nun gut beraten, nach der HV-Saison über Reformen in diesen Bereichen nachzudenken. Das bedeutet freilich keineswegs, dass sie die Forderungen der Aktionäre in vollem Umfang erfüllen müssen. Denn Investoren verfolgen eigene Interessen, die nicht immer mit denen des Unternehmens übereinstimmen.

So gibt es meines Erachtens gute Gründe, die Forderung nach kürzeren Amtszeiten kritisch zu hinterfragen. Denn es braucht eine Weile, bis Aufsichtsräte das Unternehmen kennen und damit zur Hochform auflaufen können. Zudem ginge es zulasten ihrer Unabhängigkeit, wenn sie jedes Jahr oder alle zwei Jahre von den Aktionären bestätigt werden müssten.

Aus meiner Sicht sollte bis zum Abschied deshalb mehr Zeit vergehen als bei typischen Fußball-Profis. Der hektische Bundesliga-Transfermarkt taugt jedenfalls nicht als Vorbild für Aufsichtsräte.

 

Geschrieben von Daniel Schönwitz


Board,  Collaboration,  Good Governance


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