Eine Fortsetzung des Blogbeitrages vom 08.04.2020 zum Thema: „Will ich wirklich Beirat oder Aufsichtsrat werden?“
Um einen Platz in einem Aufsichtsrat kann und sollte man sich nicht bewerben. In ein Aufsichtsgremium wird man nur bei ausreichender fachlicher und persönlicher Qualifikation berufen. Losgelöst von allen Voraussetzungsfragen zur eigenen fachlichen Qualifikation und Kompetenz muss sich am Anfang jeder potenzielle Kandidat die zentrale Frage stellen: Will ich wirklich Beirat oder Aufsichtsrat werden?
Bei der Beantwortung dieser zentralen Ausgangsfrage können die folgenden zwei Motivationsfragen (warum und wo) detailliert helfen und jedem ehrliche Antworten finden lassen, die auch abstimmbar mit seinen bisherigen Fähigkeiten, Erfahrungen und Lebensumständen sind.
Warum will ich Beirat oder Aufsichtsrat werden?
Was sind meine originären Gründe und Antriebe? Passen überhaupt zukünftige Aufsichtsmandate in meine grundsätzliche Karriere- und Lebensplanung? Will ich nur oder kann ich auch? Ganz im Sinne vom deutschen Komiker Karl Valentin (1882 – 1948): „Kunst kommt von können, nicht von wollen, sonst müsste es ja Wunst heißen.“ Oft hört man auch: „Die es können, wollen nicht und die wollen, können es nicht“.
Ist es nur ein ‚normaler Wunsch’ oder habe ich eine Vision? „Wenn das Leben keine Vision hat, nach der man sich sehnt, dann gibt es auch kein Motiv sich anzustrengen“, formulierte es der deutsch-US-amerikanische Psychoanalytiker und Philosoph Erich Fromm (1900 – 1980). Kann ich mich in dieser neuen Rolle der Verantwortung erkennen? Eine motivierende, positiv formulierte Vorstellung des Zustandes, was ich erreichen will und wie ich mich in dieser neuen Rolle der Verantwortung erkenne. Mit einer Vision gibt jemand die Richtung an, in die er sich entwickeln will. Die Vision drückt aus, wo und wofür man selbst in der Zukunft stehen will. Eine Vision umfasst aber mehr als die wirtschaftlichen und finanziellen Ziele. Zahlreiche Aspekte müssen vorher bedacht und einer Entscheidung zugeführt werden. Zum Beispielentspricht die Vergütung als Beirat oder Aufsichtsrat in vielen Fällen bei weitem nicht den bisher gewohnten Vergütungen und Einkünften. Insbesondere auch im Verhältnis zum erforderlichen Zeitaufwand, sollten deshalb finanzielle Beweggründe nicht ausschlaggebend sein.
Weitere Fragen sind: Will ich aktiv beraten und überwachen oder geht es mir um Reputation? Reputation für mich oder bringe ich Reputation in das Aufsichtsgremium mit? Ist der Titel Beirat oder Aufsichtsrat für mich nur eine weitere Trophäe oder der letzte große Verantwortungsbereich, den ich mit all meiner Kraft und meinen Möglichkeiten meistern will?
Finanzexperte und Autor Sebastian Hakelmacher (alias Eberhard Scheffler) ist davon überzeugt, dass man Beirat oder Aufsichtsrat nur „aus Ehrgeiz, Zwang, aus Gewohnheit, durch Erbschaft oder aus Versehen wird.“
Wo will ich Beirat oder Aufsichtsrat werden?
Für welche Branche und welche Art von Unternehmen sind meine persönlichen und fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen am besten geeignet? In welchen Unternehmensformen habe ich bisher die meisten Kenntnisse sammeln können:
- für große kapitalmarktorientierte Unternehmen (z.B. DAX30, MDAX)
- für eher kleinere kapitalmarktorientierte Unternehmen (z.B. TecDAX, SDax)
- für große nicht-kapitalmarktorientierte, mittelständische Familienunternehmen
- für eher kleine nicht-kapitalmarktorientierte, klein- und mittelständische Familienunternehmen
- für gemeinnützige oder kirchliche Unternehmen und Organisationen
- für öffentliche Unternehmen des Bundes, der Länder und der Kommunen
- für Start-ups bzw. Jungunternehmen oder traditionsreiche, seit über 100 Jahren bestehenden Unternehmen
- für national oder für international geprägte Unternehmen?
Bei der Entwicklung der persönlichen Aufsichtsratskarriere gilt auch: wer klein anfängt, kann groß hinaus. Niemand wird ohne Erfahrung in Aufsichtsgremien direkt in den Aufsichtsrat eines DAX30 Unternehmens berufen. Warum also nicht im ersten Mandat Erfahrung in einem Start-up Unternehmen sammeln, um diese Fähigkeiten dann in einer großen gemeinnützigen Organisation weiter zu perfektionieren?! Danach kommen sicher die ersten Berufungen als Aufsichtsrat in kleine oder große kapitalmarktorientierte Unternehmen.
Sind meine bisherigen Branchenerfahrungen zukunftsfähig und können sie auch für andere noch von Nutzen sein? Welche bisherigen Erfahrungen habe ich in Krisen- und Ausnahmesituationen gesammelt? Lähmt mich die momentane Corona-Situation oder erkenne ich die zahlreichen Chancen – nicht nur im Digitalisierungsbereich? Kenne ich die branchentypischen Unterschiede in den Anforderungen? In der Banken- und Finanzwelt beispielsweise gelten ganz spezifische und erhöhte Kompetenzanforderungen an die zukünftigen Kontrollorgane als wie z. B. in der Sozialwirtschaft. Bei Familienunternehmen steht wiederum das Vertrauen oft im Zentrum.
Im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften, der gesellschaftlichen Rahmenbedingen und der Sinn- und Werteorientierung ihrer Unternehmen müssen Beiräte und Aufsichtsräte ihren Mandatsverantwortlichkeiten professionell, unabhängig und selbstbestimmt nachkommen. Sofern ein Gefühl des Unwohlseins bzgl. des eigenen Urteilsvermögens oder ein keimender Zweifel an der eigenen Unabhängigkeit aufkommt, ist der Beirat und Aufsichtsrat gut beraten, zu agieren. Es ist wichtig, aufkeimende oder bereits vorhandene Interessens- und Rollenkonflikte deutlich und vor allem schnell umfangreich offenzulegen und allen wesentlichen Stakeholdern transparent zu machen. Gegebenenfalls legt der Beirat oder Aufsichtsrat in letzter Konsequenz sein Mandat nieder – zum Wohl und Interesse des Unternehmens. Unabhängigkeit ist Ethos, nicht Regulativ. Ein Aufsichtsrat und Beirat muss stets ein Leuchtturm der Verlässlichkeit und Unabhängigkeit eines Unternehmens sein.
Umso weniger verschiedene Branchen ein potenzieller Aufsichtsrat bisher kennenlernen durfte und umso begrenzter seine Erfahrungen mit unterschiedlichen Unternehmensformen sind, desto eingeschränkter werden seine Möglichkeiten für ein zukünftiges Beirats- und Aufsichtsmandat sein.
Wenn Sie immer noch Beirat oder Aufsichtsrat werden wollen, beantworten Sie sich dann aber bitte auch vorher die folgenden weiteren Kernfragen:
Wann will ich Beirat oder Aufsichtsrat werden?
Was habe ich als Beirat oder Aufsichtsrat Besonderes zu bieten?
Wie will ich als zukünftiger Beirat oder Aufsichtsrat auftreten?
Wer wird mich bei meinem Anliegen unterstützen?
Beantwortungshilfen für ehrliche Antworten finden Sie in den folgenden Beiträgen in den nächsten Monaten hier im Brainloop Blog.
Der Autor: Rudolf X. Ruter
Rudolf X. Ruter ist Experte für Corporate Governance und Nachhaltigkeit, Buchautor und Mitglied in diversen Aufsichtsgremien. Er war Gesellschafter und Geschäftsführer bei Arthur Andersen und baute als Partner bei Ernst & Young den Geschäftsbereich Nachhaltigkeit in Deutschland auf. www.ruter.de
Mit Plan zum Erfolg
Das Buch von Herrn Ruter bietet auf 132 Seiten einen umfassenden Einblick in das Geschäft von Aufsichtsräten und Beiräten und deren soziokulturellem Umfeld. Ruter vermittelt schonungslos, was einen guten Kandidaten ausmacht und was nicht. Das beinhaltet auch die Aufforderung, sich eine Reihe von Fragen in Form einer Checklist zu stellen. So simpel die Methode, so sehr eröffnet sich dem Leser die Erfahrung und Sachkenntnis von Rudolf Ruter – für den Leser ein unglaublicher Gewinn. Das von Friedrich von Dürrenmatt angeführte Zitat fasst das perfekt zusammen: „Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer trifft sie der Zufall“. Ruter zufolge erspart das Buch 100 Stunden Eigenrecherche. Ich teile diese Einschätzung und halte den Wert bei weitem zu niedrig angesetzt. Das Buch ist im Erich Schmid Verlag erschienen.